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Gegenwind für Brauchtumsmittelvorlage

Aus der Ortschaftsratssitzung Böhlitz-Ehrenberg:


Hauptthema der Ortschaftsratssitzung im Januar war die neue Richtlinie zur Vergabe der Brauchtumsmittel, eine Vorlage der Stadtverwaltung zur Vereinheitlichung des Vergabeverfahrens und zur Gewährleistung der Rechtskonformität von Brauchtumsmittel. Zur Erläuterung des angedachten Verfahrens waren Lena Stötzner und Uwe Ziegenhorn erschienen. Demnach soll zukünftig das Antrags-, Bewilligungs-, Mittelabforderungs- und Abrechnungsverfahren über das Büro für Ratsangelegenheiten erfolgen. Weiterhin werde zukünftig über interne Vergabe – vom Ortschaftsrat selbst organisierte oder benötigte Sachverhalte wie Ortsfeste, Mittel für Jubilare etc. – und der Vergabe an Dritte – Vereine, Institutionen etc. – unterschieden. Für beide Vergabemethoden gelten entsprechende Regelungen, die in der Richtlinie und dieser zugrundeliegende Zuwendungsrichtlinie der Stadt niedergeschrieben sind. Der Verwaltung sei bewusst, dass das neue Verfahren zu Verunsicherungen auf Seiten der Antragsteller führen könne und kündigte Informationsveranstaltungen für Vereine und Institutionen an, um diesen begegnen zu können.


Auf Seiten der Ortschaftsräte wurde der weitaus größere Bürokratieaufwand bemängelt. So werde im neuen Antragsformular nach Punkten gefragt, die in über 20 Jahren für eine Antragstellung nicht relevant waren. So müsse die Finanzierung des Projektes erläutert werden und gesichert sein – auch wenn der Ortschaftsrat seiner Entscheidungsfreiheit nachkommt und das Projekt in Gänze finanziert. Weiterhin werde nach Sponsoren und Einnahmen gefragt, ohne zu erläutern, welche Schlüsse aus den Angaben gezogen werden. Die Ortschaftsräte stellten sich hier die Frage, ob es im Zuge dieser Angaben zu Rückforderungen seitens der Stadt kommen würde? Die Frage blieb offen.


Ebenfalls wurde das Antragsverfahren an die Stadt in Frage gestellt, schließlich sei der Ortschaftsrat ja das Entscheidungsgremium. Gerade im Hinblick auf Vereinbarungen der Ortsteile mit Eingemeindungsvertrag sei dies fragwürdig. Im Falle von Böhlitz-Ehrenberg handelt es sich bei den Brauchtumsmitteln in einer Höhe von 51100 Euro um vertraglich an den Orts zugesicherte Mittel, wie können diese dann seitens der Stadt bewilligt werden?


An dieser Stelle fragte Ortsvorsteher Denis Achtner nach, ob denn die Brauchtumsmittel überhaupt als Zuwendungen gelten? Dies wurde von Frau Stötzner bestätigt. Das Rechtsamt sieht die Brauchtumsmittel als Zuwendungen. Dies widerspreche aber den Vorbemerkungen der Zuwendungsrichtlinie. Dort ist zu finden, dass Zuwendungen der Stadt freiwillige Leistungen seien. Die im Eingemeindungsvertrag festgeschriebenen Mittel zur Förderung des örtlichen Brauchtums seine aber vertraglich zugesichert und damit nicht freiwillig. Zudem werden jene Ansprüche aus Rechtsvorschriften in der Zuwendungsrichtlinie explizit als keine »Zuwendungen« bezeichnet. Auch Ortschaftsrat Andreas Faulhaber bekundete seine Zweifel, ob denn die Richtlinie im Einklang mit den Eingemeindungsverträgen stünde. Ortschaftsrat Peter Jochmann wollte wissen, ob denn in den vergangenen Jahren die Vergabe der Brauchtumsmittel durch die Ortschaftsräte rechtlich falsch gewesen war, weil erst jetzt, nach über 20 Jahren, auf die Rechtskonformheit gedrängt werde.


Ortsvorsteher Achtner sieht auch einen weiteren Widerspruch. Der Ortschaftsrat sei in Sachen Brauchtumsmittel in seiner Entscheidung frei. Nach der neuen Richtlinie wird diese Freiheit aber nur im Rahmen der Zuwendungsrichtlinie gewährt, was einer Beschneidung gleich käme. Darüber hinaus wird das Verfahren, bis eben auf jene Entscheidung, vollständig aus der Hand der Räte genommen. Hier werde der Kommunikationsweg verlängert, so Achtner. Gerade zum Jahresende hin, sei es wichtig, über den tagesaktuellen Stand der bereits vergebenen Mittel genau Bescheid zu wissen. Wenn hier jedes Mal erst bei der Stadt angefragt werden muss, ob schon alle Mittel abgerufen worden sind, was noch zur Verfügung steht, dann ist programmiert, dass nicht alle Mittel ausgegeben werden können. Achtner anerkenne den Sachverhalt, dass ein Großteil der »Papierarbeit im Zuge des neuen Verfahrens vom Büro für Ratsangelegenheiten übernommen werde, doch der Preis sei die Unübersichtlichkeit und der Verlust der Kontrolle über das Verfahren. Hinzu käme der Verlust des »Aushängeschildes« als Mittelgeber, eines der wichtigsten Aufgaben des Ortschaftsrates laut §67 Sächsischer Gemeindeordnung.


Generell herrscht bei den Ortschaftsräten die Angst, dass zahlreiche Vereine den erhöhten Aufwand der neuen Antragstellung scheuen werden und Mittel am Jahresende verfallen. Wenn man dann diese Restmittel noch sinnvoll ausgeben möchte, würde dies an den langen Verfahren in der Stadtverwaltung und deren Ämtern scheitern, da innerhalb kürzester Zeit zum Beispiel Papierkörbe gar nicht mehr angeschafft werden können, da das Geld nur bis Jahresende zur Verfügung steht.


Hier informierte Frau Stötzner, dass es eine Bagatellgrenze von 500,– Euro geben soll, bei der auf einen Großteil der erforderlichen Angaben verzichtet werden kann. Damit werde dem Sachverhalt Rechnung getragen, dass die meisten Anträge von Vereinen unter dieser Summe lägen. Im Falle von Böhlitz-Ehrenberg stimme dieser Sachverhalt nicht. Hier seien die Anträge und Bewilligungen unterhalb von 500,– Euro in der Minderheit. Achtner sieht hier die Gefahr, dass Vereine, die bisher mehr Mittel zur Verfügung gestellt bekommen haben, mehrere Anträge bis 500 Euro stellen werden, um die zusätzlichen Angaben zu umgehen. Dies erhöhe nicht nur den Aufwand sondern führe auch zu erhöhtem Materialverbrauch. Mit dem neuen Verfahren würde das vierfache an Papier benötigt, so Achtner.


Ortschaftsrat Peter Hauschild gab sich abschließend enttäuscht, dass man als Ortschaftsrat erst jetzt, unmittelbar vor der nächsten Stadtratssitzung, auf der die Vorlage beschlossen werden soll, von so einem umfangreichen Vorhaben erfahren würde. Laut Vorlage habe ein intensiver Austausch stattgefunden. Ortsvorsteher Achtner führte hier weiter aus, dass auch er überrascht war von der Ansetzung der Vorlage zur nächsten Stadtratssitzung. Man habe Ende 2021 die Vorlage im Arbeitskreis Ortsvorsteher zur Kenntnis erhalten und unmittelbar im Nachgang Anmerkungen und Hinweise zu Problemen gegeben. Dann sei knapp ein Jahr das Thema in der Verwaltung bearbeitet worden und nun ohne nochmalige Absprache auf die Tagesordnung gesetzt worden. Achtner appellierte an das Büro für Ratsangelegenheiten, die Vorlage von der Tagesordnung des Stadtrates abzusetzen und in den Arbeitskreis Ortsvorsteher zurückzuverweisen, um die strittigen Punkte zu klären. Schlussendlich stimmten alle Ortschaftsräte gegen die Vorlage.


Ortsvorsteher Achtner ließ sich zudem von den Ortschaftsräten die Unterstützung versichern, im Falle, dass die Vorlage in ihrer bestehenden Form im Stadtrat beschlossen wird, den Vermittlungsausschuss anrufen zu dürfen. Dies wurde von den Ortschaftsräten einstimmig befürwortet.


Gegenwind gab es auch für den Antrag der Fraktion der Grünen im Stadtrat, der den Windkraftausbau in Leipzig beantragt. Hier sehen die Ortschaftsratsmitglieder die Gefahr, dass dieser Ausbau hauptsächlich in den Randgebieten erfolge. Der Antrag wurde einstimmig abgelehnt. Der Verwaltungsstandpunkt zur Vorlage hingegen fand fünf Pro-Stimmen bei zwei Ablehnungen und zwei Enthaltungen.


Erste Brauchtumsmittel wurden in der Sitzung u. a. für Jubilare, die Ehrenamtsauszeichnungsveranstaltung, die Homepage des Ortschaftsrates, den Druckkostenzuschuss für das Gemeinde-Blatt die Nutzung der Räume in der Großen Eiche und das LVZ-Abonnement für den Ortschaftsrat beschlossen. Insgesamt stehen in diesem Jahr 60930,– Euro an Brauchtumsmitteln zur Verfügung. Anträge dafür können noch bis Ende März gestellt werden (siehe gesonderten Artikel).


In der Bürgerfragestunde wurde nach dem Sachstand Bau Dreifeld-Sporthalle im Leipziger Westen gefragt. Hier gebe es keinen neuen Erkenntnisse, so Achtner. Der Ortschaftsrat hat aber im Rahmen des Doppelhaushaltes einen Antrag zum Bau einer Sporthalle gestellt, um das Problem zu unterstreichen, schließlich habe und wird auch zukünftig die Grundschule Gundorf über keine Sportmöglichkeit verfügen. Entschieden wird über den Änderungsantrag im Zuge der Erstellung des Doppelhaushaltes.


Denis Achtner

Ortsvorsteher

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